Magic, Mohn und Macht: Das Goldene Dreieck ist wieder Drogendorado

Südostasien mischt im internationalen Drogengeschäft wieder kräftig mit. Der globale Bedarf nach Opium steigt, gleichzeitig ist die Nachfrage nach Designerdrogen so trendy wie nie zuvor – mit sozioökonomischen und ökologischen Folgen für (semi-)periphere Hilltribes wie urbane Hip Hopper gleichermaßen: Ein nüchterner Versuch einer Bewusstseinserweiterung.

210 Millionen Menschen, knapp fünf Prozent der Weltbevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren, haben 2010 mindestens einmal illegale Substanzen konsumiert. Das ist nicht weiter außergewöhnlich und liegt im langjährigen Mittel – wäre da nicht die Tatsache, dass klassische halluzinogene Drogen an Bedeutung verlieren und vielfach durch synthetische wirkungsähnliche Substanzen ersetzt werden, deren Legalität regional unterschiedlich ist, weil die – vielfach nicht definierten – Inhaltsstoffe rechtlich oftmals nicht als illegal bewertbar sind. Dass die globalen Märkte für Kokain, Heroin und Cannabis (auf hohem Niveau) stagnieren oder schrumpfen, liegt am Aufschwung von Designerdrogen: Mehr und mehr davon kommen aus Südostasien, das sich seit Ende der 1990er aus dem Geschäft fast verabschiedet hatte.

Goldenes Dreieck: Zwischen Mähr und Militär – ein Blick zurück

Die Zeiten, wo sich ein paar Hilltribes mit ein paar versteckten Mohnfeldern in Festland-Südostasien lukrative Nebeneinkommen geschaffen haben, sind lange vorbei. Schon Anfang der 1980er wurden im Goldenen Dreieck an der legendären Dreiländergrenze von Laos, Myanmar und Thailand, rund 800 Tonnen Opiumsaft eingedickt – ausreichend Rohstoff für 80 Tonnen reines Heroin oder 100 Milliarden Schüsse. Damals wurde in Thailand jedes zweite Verbrechen unter Drogeneinfluss oder zur Beschaffung von Drogen verübt. In Malaysia galten 500.000 Menschen als drogenabhängig – im ganzen Land »gibt es kaum ein Familie, die nicht betroffen ist«, konstatierte seinerzeit Khairuddin Ibrahim, der damalige Vorsitzende der Anti-Drogen-Kommission.

Myanmar allein produzierte 1997 auf geschätzten 160.000 Hektar etwa 2.600 Tonnen Opium, die Grundlage für die Produktion von 200 Tonnen Heroin, was 60 Prozent der Weltproduktion entsprach. Die Militär-Junta hatte jahrelang den Drogenhandel in den Randgebieten des Landes offen toleriert, quasi als Preis für die Waffenstillstandsabkommen mit aufständischen ethnischen Gruppen. Opium-Lord Khun Sa, Begründer des Rebellenstaates »Tai-Land« in der südlichen Shan-Region, wurde so lange nicht an der Ausübung seiner Geschäfte gehindert wie er im Gegenzug die russischen SAM-7 Abfangraketen seiner 25.000 Mann starken Privatarmee nicht auf regierungsfreundliches Territorium richtete.

Die Ausrottung allen Opiums innerhalb von fünf Jahren wurde damals – nicht ganz freiwillig – zum Regierungsziel: ein bewusster Schritt des Regimes zurück in die internationale Staatengemeinschaft, der trotz der Verdreifachung der Heroinaufgriffe auf 1,4 Tonnen jährlich auch intern auf Skepsis stieß. War das vorauseilender Gehorsam einer in die Enge getriebenen Junta gegenüber den Westmächten, ohne deren Unterstützung das Land langfristig nicht lebensfähig gewesen wäre, und deren Sanktionsdrohungen bis dahin ignoriert werden konnten? Zum einen hatte sich die Anbaufläche für Opium innerhalb des letzten Jahrzehntes verdoppelt, zum anderen beruhte die Wirtschaft – direkt oder indirekt – auf den Einnahmen aus dem Drogengeschäft. Die angestrebte Imagekorrektur der Junta brachte danach vor allem die Zielländer ins politische Dilemma: Die USA, die nach dem Coup 1988 sämtliche Drogenbekämpfungsgelder eingefroren hatten, waren mit der Verwässerung jedweder Sanktionen konfrontiert: Wohin die Gelder fließen würden, war unkontrollierbar.

Die Bilanz für 1997 las sich eindrucksvoll: Rund 5.000 Personen wurden verhaftet, 7,8 Tonnen Opium, 1,4 Tonnen Heroin, 288 Kilogramm Marihuana, 45 Kilogramm Morphium und rund fünf Millionen Amphetamin-Tabletten beschlagnahmt. »Mit Hilfe der USA könnten wir innerhalb nur eines Jahres 60 Prozent der Heroinexporte nach Amerika vernichten«, zeigte sich Hla Min, stellvertretender Direktor des Office of Strategic Studies, siegessicher. US-Außenministerin Albright, die zuvor das gesamte Regime als »Rauschgifthändler« abgekanzelt hatte, zerstreute schließlich die diplomatischen Bedenken mit der Feststellung, dass lediglich einzelne Angehörige des öffentlichen Dienstes, keinesfalls jedoch die Regierung Myanmars selbst in das Rauschgiftgeschäft verwickelt sei.

Mit Genehmigung des US-amerikanischen Parlaments wurden schließlich 500.000 US-Dollar für ein zwei-Jahres-Projekt zur (Mohn-)Anbausubstitution im Norden des Shan-Staates bereitgestellt. Jorgen Kristensen, Sprecher des United Nations Drug Control Program (UNDCP), war sich der Problematik der Schaffung opiumfreier Zonen durchaus bewusst, ist doch der Mohnanbau Teil der traditionellen Landwirtschaft. Die jährliche Ernte eines Bauern beträgt etwa 12 Pfund, was einem Erlös von 650 US-Dollar entspricht. Sojabohnen, in der rauschgiftfrei erklärten Eastern Shan State Special Region 4 als Alternative angepriesen, bringen nur ein Zehntel dessen.

Kampf den Drogenbaronen? Militärische Denkzettel zwischen Halbmond und Dreieck

Doch Anbausubstitution war nur ein (mittelfristiger) Aspekt der Kampagne, die Vernichtung der Mohnfelder hingegen das dezidierte kurzfristige Regierungsziel. Der einkalkulierte Nebeneffekt von Razzien in den grünen Bergen ist offenkundig: Unter dem Deckmäntelchen der Opiumbekämpfung ließen sich auch regionale Vernichtungskriege gegen die regierungsfeindlichen Kräfte legitimieren, deren Kriegskasse durch Drogengeld zum Teil gut gefüllt war. Die 20.000 Mann starke United Wa State Army an der Grenze zu China etwa war längst im Besitz von Boden-Luft-Raketen sowie modernster Informationstechnologien und den regulären burmesischen Truppen damit technisch weit überlegen. Opium spielte hier schon damals nicht mehr die Hauptrolle. Die Wa waren seit über einem Jahrzehnt sukzessiv in Produktion und Handel mit synthetischen Methamphetaminen eingestiegen, denen schon damals eine lukrative Zukunft prognostiziert wurde.

Kristalline Methamphetamine:

  • Kambodscha: yaba or yama chakk (injizierbar)
  • China: bindu
  • Indonesien, Japan, Philippinen: shabu
  • Japan: anpon, philopoon (flüssig), speed
  • Neuseeland: »P«
  • Philippinen bato, sha, siopao
  • Australien, Kambodscha, Japan, Thailand: ice

Mag es auch offiziell um hehre Drogenbekämpfung (zum Schutze der Menschheit) und Zerschlagung des traditionellen Wanderfeldbaus (zur Rettung der Monsunwälder und damit des Weltklimas) gegangen sein, so war es doch ein offenes Geheimnis, dass die Vorherrschaft über den Wirtschaftsfaktor Opium im Vordergrund stand. Genau so bekannt war, dass Thailand nunmehr eben das Opium aus den Nachbarländern zu Heroin produzierte, nachdem seine eigenen Mohnfelder mit Unterstützung Washingtons – offiziell mit durchschlagendem Erfolg – zu Hackfruchtfeldern umgepflügt wurden.

Sehr zur Freude des Mittleren Ostens: Die zentralasiatischen Staaten des Goldenen Halbmondes (v.a. Afghanistan, Iran) hatten ihren Hauptkonkurrenten los, nützten die (politisch labile) Gunst der Stunde und beherrschen derzeit immer noch einen Großteil des Opium-Weltmarktes – trotz massiver Rückgänge. NATO-Truppen und afghanische Regierungssoldaten haben dort jüngst ganze Arbeit geleistet und vermochten die Opium-Produktion in Afghanistan bereits um fast ein Viertel zu senken, um den Taliban die wichtigste Einnahmequelle zu versalzen: Seit eineinhalb Jahrzehnten kamen rund 80 Prozent allen Opiums oder Heroins (ein Opiumderivat) aus dem Land am Hindukusch. Und das war plötzlich vorbei.

Das goldene Dreieck stopft derzeit erfolgreich die Lücken im globalen Angebot, die durch die gezielte Vernichtung des Schlafmohnanbaus in Afghanistan entstanden sind. Anbieter aus Thailand, Laos und Myanmar ließen sich nicht lange bitten und sprangen in die Bresche: Nach Schätzungen der UNO stiegen die Gewinne 2010 um 100 Millionen auf 219 Millionen US-Dollar. Die Schwarzmarktpreise blieben stabil: Ein Kilo Opium direkt vom Bauern in Myanmar rund 305 US-Dollar, bei einem Zwischenhändler in Laos 1.670 US-Dollar und in Thailand 2.700 US-Dollar.

Dass die Produktion zuletzt dennoch kurzfristig stark sank, lag einzig an Schädlingen, die 2010 einen Großteil der potenziellen Ernte in Myanmar vernichteten. Die Ausweitung der Anbauflächen zeigt die völlige Neuorientierung an einer sicheren Einkommensquelle, die schon beseitigt schien: In nur einem Jahr (2009) versechsfachten sich die Schlafmohnflächen auf 38.100 Hektar, die Erträge stiegen im gleichen Zeitraum von 330 auf 580 Tonnen Rohopium. Zum Vergleich: Laos steigerte seine illegale Opiumproduktion seit 2009 von sieben auf achtzehn, Thailand lediglich von drei auf fünf Tonnen.

95 Prozent des burmesischen Opiums stammt aus den Shan-Staaten im Nordosten des Landes, an der thailändisch-laotischen Grenze, wo der Unabhängigkeitskrieg der regionalen Wa- und Kachin-Guerilla-Milizen gegen die burmesische Zentralregierung in Yangon mit den Erträgen des Drogenhandels finanziert wird – über eine Million Menschen sind, UN-Angaben zufolge, direkt mit Anbau und Weiterverarbeitung von Mohn beschäftigt. Vor allem in Laos und Myanmar, an der Peripherie außeragrarischer weltwirtschaftlicher Perspektiven, ist dies oft genug die einzige Möglichkeit, über pure Subsistenz hinauszukommen und Familieneinkommen nachhaltig zu sichern.

Gebt uns Geld oder nehmt unser Opium, ihr habt keine Wahl: Soubanh Srithirath, der in Laos zuständige Minister und Vorsitzende der Kommission für Drogenkontrolle, brachte das politische und sozioökonomische Dilemma der Mekong-Anrainerstaaten kürzlich auf den Punkt. Das Land erklärte sich zwar im Jahr 2006 für opiumfrei, dennoch stieg die Anzahl der Opium-Abhängigen der verschiedenen ethnischen Gruppen im eigenen Land auf 15.000 und trieb den Preis eines Kilogramms der Droge auf rund 1.000 US-Dollar – oder höher. Laos fordert deshalb für die nächsten vier Jahre 60 Millionen US-Dollar, um den Opiumanbau in über 1.100 Dörfern in den zehn nördlichen Provinzen zu verhindern. Das sind 38.510 Euro je Dorf, rund 150 US-Dollar pro Kopf, also mehr als ein Drittel des jeweiligen Jahreseinkommens. Fragen von effizienter und zielgerichteter Verteilung sind ebenso unbeantwortet wie die ambivalente Einstufung von Gewinnern und Verlierern unklar bleibt.

Methamphetamin Pillen:

  • Kambodscha, Laos Myanmar, Thailand: yama, yaba
  • China: bingdu pian in
  • Myanmar: seik kwya say, myin say in

Armut und politische Instabilität treiben viele Bauern wieder dazu, mehr verbotene Suchtmittel zu produzieren: »Die jüngste globale Wirtschaftskrise hat die Lage der armen Bevölkerungsgruppen in Südostasien weiter verschlimmert und verführt viele Menschen dazu, in den Drogenmarkt einzusteigen«, lässt Yury Fedotov, Exekutivdirektor der UNODC (Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung der Vereinten Nationen) keinen Zweifel an den sozioökonomischen Hintergründen der neuen alten Liebe zum geächteten Mohn.

Spice statt Rice: Die neue Magie der Synthetik

Das Comeback der südostasiatischen Opiumproduktion steht außer Zweifel. Dennoch: Der gute alte Mohn ist mittlerweile vielen Akteuren zu heiß geworden. Man sattelt um: Satellitenüberwachungen und Herbizidbesprühungen von missliebigen landwirtschaftlichen Flächen sind leichter zu bewerkstelligen als Kontrollen von (teils unterirdisch angelegten und hochmobilen) Laboren und Produktionsstätten von Substanzen, die vielfach noch nicht auf den internationalen Watchlists stehen sowie wetterunabhängig, schädlingssicher und bedarfsgerecht auch kurzfristig erzeugt und molekular modifiziert werden können.

Waren es früher versteckte Hinterhof-Labors, wo die bunten Pillen und Pülverchen hergestellt wurden, so wird heute hoch-industriell und höchst professionell agiert. Allein 2009 wurden in Indonesien 37 illegale Labore ausgehoben, in Malaysia seit 2008 mehr als 35. Yury Fedotov ist Realist: » Das Goldene Dreieck konzentriert sich nicht allein auf Opium; es ist ein Geschäft, dass sich auf die Kunden einstellt. Die internationale Gemeinschaft hat die Drogenkontrolle in Südostasien offenbar aus den Augen verloren. Und: Wir wollen auf allen Ebenen proaktiv sein, bevor die Region wieder ein großer Drogenumschlagplatz wird.«

Wahrscheinlich ist das bereits geschehen, auch wenn es kaum stichhaltige Belege dafür gibt. Cannabis, besser bekannt als Marihuana oder Haschisch, ist laut UNODC zwar immer noch die meist konsumierte Droge der Welt; einem Bericht der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) konsumierte 2010 jede(r) zehnte Deutsche zwischen 18 und 39 mindestens einmal Cannabis. Doch dann kommen schon Aufputschmittel auf Amphetaminbasis (ATS) – etwa Amphetamine, Methamphetamine und Ecstasy. Und immer mehr davon aus Südostasien, wo man auf eine jahrzehntelange Tradition in der Entwicklung von (nicht immer legalen) einschlägigen Vertriebsnetzen bauen kann.

Viele nicht regulierte Substanzen werden als »legal highs« und Ersatz für illegale Aufputschmittel wie Kokain oder Ecstasy vermarktet. Sie sind nicht überall verboten, und via Internet auch jederzeit erhältlich, was den UN-Kampf gegen die neue Drogengeneration zu einem nahezu aussichtlosen Unterfangen macht: Ob »Lava Red« oder »Monkey goes Bananas« – eigentlich sind so manche Kräutermischungen zum Räuchern und Baden gedacht, werden aber geraucht, was zwar zu verbieten, aber kaum zu kontrollieren ist.

Die Wirkung von »Spice« etwa, in Deutschland und Österreich seit 2009 verboten, beruht auf synthetischen Cannaboiden – ganz im Gegensatz zu den Herstellerangaben, die eine Kombination exotischer Kräuter mit teilweise psychoaktiver Wirkung angeben. Der Handel mit Mephedron wiederum, harmlos als »Badesalzdroge« tituliert und in der Szene als »M-CAT«, »Meow« (ausgesprochen: Miau), »Mephe« (ausgesprochen: Mef), »MMC Hammer« (in Anlehnung an MC Hammer) oder »Magic« bekannt, fällt in Deutschland und Österreich zumindest seit 2010 unter das Verbotsgesetz. Davor ließ sich ganz legal prächtig Geld damit machen: Gramm-Einkaufspreise ab drei Euro in Südostasien, Gramm-Verkaufspreise von 25 Euro in Österreich – noch 2009 musste die Polizei einem Wiener Händler ein Kilo Mephedron wieder aushändigen, der nach eigenen Angaben in drei Monaten 250.000 Euro verdient hatte.

Ecstasy:

  • Cambodia: thnam krovee kbai (shake-head drug)
  • China: yao tou ubin (head-shaking pill)
  • Indonesien, Philippinen: XTC
  • Laos, Thailand: ya-E, ya-love
  • Japan: X – Myanmar: gaung khar say (head-shaking pill)
  • Viet Nam: shaking pill

Auf dem europäischen (illegalen) Markt wird Methamphetamin zumeist unter dem Namen »Crystal« oder »Crystal Speed« angeboten, in den USA als »Crank« oder »(Crystal) Meth« und in Thailand als »Yaba« bezeichnet. Dort hat es Heroin als die meist benutzte Droge längst den Rang abgelaufen. 2009 wurden 15,8 Tonnen beschlagnahmt, über ein Drittel mehr als im Vorjahr: Vor allem in Myanmar, das sich – parallel zum neuen Opiumboom – zu einer der Hauptquellen für Methamphetamin-Pillen in Südostasien gemausert hat.

Laut UNODC ist Südostasien heute die Weltregion mit der intensivsten Nutzung Amphetamin-ähnlicher Stimulantien. Zwischen vier und zwanzig Millionen Menschen in Ost- und Südostasien gebrauchen ATS-Drogen, Trend steigend. Allein 2010 wurden 442 Produktionsstätten entdeckt und 136 Millionen Methamphetaminpillen sichergestellt.

»Der wachsende Handel und die hohen kriminellen Profite stellen für unsere Region Ost- und Südostasien eine immer größere Bedrohung der Sicherheit und Gesundheit dar«, lässt Gary Lews, der UNODC-Regionalvertreter in Bangkok, keinen Zweifel an der zunehmenden Brisanz der Lage. Er hat allen Grund zur Sorge: Neben Westafrika profilieren sich seit geraumer Zeit vor allem das Goldene Dreieck und die südliche Mekong-Region als Produzenten und Distributoren von synthetischen Drogen, die sich weltweit auf dem Vormarsch befinden.

Genaue Zahlen kennt niemand: Solange Indien und China keine repräsentativen Erhebungen über den Drogenkonsum ihrer Bevölkerungen machen, bleibt die reelle Dimension des Problems pure Spekulation. Die Schätzungen schwanken zwischen 14 und 57 Millionen Menschen, die mit einiger Regelmäßigkeit auf synthetische Stimmungsmacher aller Art zurückgreifen.

Mit seiner wachsenden Bevölkerung und dem zunehmenden Wohlstand habe besonders in Asien die Nachfrage nach Labor-Drogen zugenommen, konstatiert das UNODC in seinem jüngsten Bericht (World Drug Report 2011). 2006 nahm in fast der Hälfte der asiatischen Länder der Konsum dieser Mittel zu – keine große Überraschung, angesichts von wachsendem Leistungsdruck in einer zunehmend globalisierten urbanen Welt sowie rapider gesellschaftlicher Transformation. Diese geht mit dem Aufschwung neuer Mittelschichten einher, die sich an westlichen Konsum- und Freizeitmustern orientieren.

Halluzinogene Partydrogen gehören da offenbar für manches, meist urbanes, Klientel dazu; Hochleistungssteigerndes wohl für Viele. Doch empirische Studien fehlen für ein Thema, das für die Nationalregierungen zur wirtschaftlichen Überlebensfrage werden kann. Darüber hinaus bleiben internationale Unterstützungen, Kooperationen und Investitionen aufgrund von allzu laschem Umgang mit der regionalen Drogenszene aus. Deshalb wird rigide durchgegriffen – zumindest gegen die kleinen Fische.

»Seien Sie gewarnt – Tod für Drogenhändler nach malaysischem Gesetz«

Diesen Passus bekommt jeder Reisende in seinen Pass gestempelt. Und das Land meint es ernst. Malaysia hat eines der strengsten Anti-Drogen-Gesetze weltweit. Unter Sektion 39B des Dangerous Drugs Act von 1952 kann man bei Besitz von 200 Gramm Cannabis, 15 Gramm Heroin oder ein Kilogramm Rohopium zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt werden. Für den Verkauf von mehr davon ist die Todesstrafe zwingend vorgeschrieben. Der konfuzianisch-preußisch regierte Stadtstaat Singapur, in den 1960ern zentrale Drehscheibe im fernöstlichen Heroinhandel, greift ähnlich hart durch und gilt als weitgehend clean.

Das offizielle Thailand macht brav mit, geht gegen die Opiumproduktion in seinem ruralen Hinterland vor und kokettiert doch mit einem neuen alten Image: Mit Opiumpfeifen als Souvenirs lässt sich zwischen Chiang Mai und Bangkok gut leben, und Opium (schau)rauchende Dörfler sind fotogene Fixpunkte so mancher Ethno-Trekking-Veranstaltung zwischen Pai, Mae Sai und Chiang Rai.

Die bildliche Werbung ethnotouristischer Veranstalter prägen vielfach weiterhin pittoresk gekleidete Akha-Frauen mit Opiumrohren. Opium selbst, eine traditionelle Wirtschaftsgrundlage der Hilltribes, wird bestenfalls verschlüsselt dargestellt. In bunten Werbebroschüren lediglich als überkommene Anbauform am Rande erwähnt, ist die florierende Drogenproduktion Nordthailands aus »Heile Welt«-Broschüren ausgeklammert. Der Mythos »Goldenes Dreieck« wird nur nostalgisch erfasst, der Bezug zur Gegenwart bewusst nicht hergestellt – Kokettieren mit kulturhistorischen Phänomenen ist schließlich nicht strafbar und bleibt politisch garantiert sanktionsfrei.

Die (mehr oder minder verschleierte) Reduktion der Hilltribes auf Konsum und Anbau von Drogen ist als gezielte Fortführung der staatlichen Werbelinien von Laos, Thailand und Vietnam interpretierbar, die mit der Vermarktung ihrer ethnischen Minderheiten lange schon ein zweites touristisches Standbein neben Baden & Beach gefunden haben: Pseudoauthentische Tänze oder Opiumpfeifen rauchende »Dorfälteste« gehören zu den Standardmotiven für pseudo-authentische Fotodokumentationen asiatischer »Urtümlichkeit«; zumindest im urbanen Südostasien bedeutet Opium-Konsum dagegen Rückständigkeit, beschränkt auf Tribes und agrarische Subsistenzgesellschaften. »I hate those travellers«, klagte die junge Lehrerin in Mae Sai, unmittelbar an der burmesischen Grenze. »They show our young boys that drugs are fun and nothing happens. What society do you live in?«

Eine berechtigte Frage. Ob Agrarprodukt oder Retortenmischung, ob Mohn oder Mephedron: Rauschmittel als Wirtschaftsfaktor in allen Gesellschaftsformen sind weder zu ignorieren noch weg zu diskutieren. Drogen aus Südostasien wurden aus den unterschiedlichsten Gründen stets verdammt, bekämpft und vernichtet. Vor allem Drogen, an denen westliche Regierungen und Konzerne nicht viel verdienen können. Schließlich sterben durch illegale Drogen weltweit rund 200.000 Menschen pro Jahr. Durch Alkoholmissbrauch übrigens zweieinhalb Millionen und durch Tabakkonsum fünf Millionen Menschen. Die internationale Bestürzung darüber hält sich in Grenzen.

This article was originally published in October 2012 in INTERNATIONAL – Zeitschrift für internationale Politik, Issue 3-2012.
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